Leben in der Illegalität

Menschenrechte gelten für alle Menschen. Auch für jene, die illegalisiert leben müssen. Dennoch sieht es in der Realität häufig anders aus. Menschen ohne Papiere können sich nicht auf Menschenrechte berufen. Das Leben in der Illegalität ist bestimmt von Entrechtung, Schutz- und Perspektivlosigkeit, durch z.B. Wohnungslosigkeit und fehlendem Zugang zu medizinischer und sozialer Versorgung. Abgesehen von Dublin-Fällen gibt es für Illegalisierte kaum eine Chance, sich aus der Situation zu befreien, oder eine Aussicht darauf, dass sich ihre Situation ändern könnte.
Die Entrechtung und die ständige Angst entdeckt zu werden, ermöglichen es einigen anderen Menschen, aus dieser Situation Profit zu schlagen. Dadurch werden z.B. günstige Arbeitskräfte generiert, die ohne jeglichen Arbeitnehmer*innenschutz, Mindestlohn oder Ähnlichem beschäftigt werden können.
Im alltäglichen Leben gibt es kaum eine Situation, in der sich Illegalisierte sicher fühlen können. Beim Busfahren müssen sie ebenso Kontrollen fürchten, wie beim Spaziergang in der Stadt. Dies gilt insbesondere für sogenannte “verdachtsunabhängige Kontrollen” durch die Polizei (Stichwort Racial Profiling*). Menschen ohne Papiere sind außerdem stark abhängig von den Menschen, die ihnen eine Wohnung oder ein Zimmer zur Verfügung stellen. Das passiert häufig ohne einen Mietvertrag abzuschließen, auf den sich berufen werden könnte.
Es gibt keinen staatlichen Anspruch auf eine medizinische Grundversorgung: Wenn Illegalisierte krank werden, kann dies zur Gefahr werden. Der Besuch von Ärzt*innen oder ein Krankenhausaufenthalt ist für die meisten nicht bezahlbar, denn eine Krankenversicherung für Menschen ohne einen Aufenthaltsstatus gibt es nicht.
Im Verlauf dieser Broschüre werden weitere Bereiche aufgezeigt, in denen die Lebenssituationen von Menschen ohne Papiere extrem eingeschränkt oder sogar unmöglich gemacht werden.

Doch auch wenn Illegalisierte im Unsichtbaren agieren und keinerlei rechtlichen oder gesellschaftlichen Schutz erfahren, nehmen sie am gesellschaftlichen Leben teil. Sie haben Arbeit, mieten Wohnungen und gehen zur Schule.

Wie Menschen ohne Papiere unterstützt und begleitet werden können, wird in den nachfolgenden Abschnitten erklärt. Die Texte sind das Ergebnis mehrjähriger Arbeit und Recherchen und stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit dar. Vielmehr sollen sie Möglichkeiten aufzeigen und Menschen dazu ermutigen, Illegalisierte zu unterstützen.

Info: Global gedacht? 
Eine weitere Absurdität der Migrationskontrollen wird erkennbar, wenn illegalisierte Migration der Freizügigkeit von Waren auf dem globalen Markt gegenübergestellt wird. Es ist selbstverständlich Kaffeebohnen aus verschiedenen Ländern des globalen Südens über die Grenzen zu bringen. Die Menschen, die dort teilweise unter lebensbedrohenden Umständen leben und arbeiten, haben allerdings keine Chance, legal die Grenze zu überqueren.
Gleichzeitig können weiße Europäer*innen in fast alle Länder der Welt reisen, um dort Urlaub zu machen, zu arbeiten oder zu leben. Dabei gibt es keine großen Schwierigkeiten oder Konsequenzen zu befürchten. Diese Fortsetzung kolonialer Handlungsmuster und die Absicherung eines aus dem europäischen Kolonialismus resultierenden Wohlstands zeigen, dass die hiesige Gesetzgebung rund um das Thema Migration und Flucht von rassistischen Denkmustern geprägt ist. 
Zugleich ist Migrationskontrolle auch von kapitalistischer Verwertungslogik für den Arbeitsmarkt und einer Beschränkung des Zugangs zu sozialstaatlichen Leistungen bestimmt: Es geht um Selektion und Integration. Die Menschen, die etwas Hilfreiches für das Wirtschaftswachstum beitragen können und dem Staat kein Geld kosten, erhalten eine kleine Chance. Alle anderen Menschen werden aussortiert.

*Mit „Racial Profiling wird die Methode bezeichnet, das Erscheinungsbild – wie bspw. Hautfarbe oder Haarfarbe – einer Person als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen heranzuziehen. Rechtlich dürfen Verdachtsmomente nur auf das Verhalten von Personen und auf objektive Beweise, nicht aber auf ihr Erscheinungsbild gestützt werden. www.grundrechte-kampagne.de/aktuelles/racial-profiling